Sagen aus Harderode

Aus Harderode sind zwei Sagen überliefert, die Ulrich Baum aus Lauenstein in seinem Buch „Ithland Sagenland“ (ISBN 3-89264-074-2) zusammengetragen hat. Diese sind hier in alter Schreibweise und der damaligen Grammatik wiedergegeben:

Das zweite Gesicht Teil 1

Wer in der Christnacht geboren ist, hat eine eigene Gabe mit auf die Welt bekommen. Er sieht nämlich Feuer, Hochzeits- und Begräbniszüge im Voraus. Er besitzt die Gabe des zweiten Gesichts.

Das zweite Gesicht Teil 2
In Harderode lebten zwei Brüder, von denen auch einer das zweite Gesicht hatte. Eines Abends hatten die beiden die Pferde nach der Weide gebracht und waren auf dem Heimweg begriffen. Sie hatten eben einen Hohlweg erreicht, der nach dem Kirchhof führte, als der Geisterseher seinem Bruder aufforderte, dicht an die Böschung heran zu kommen, da es da unten zu schmutzig sei. Dieser wollte jedoch nicht. Nach etwa 20 Schritten war es ihm aber gerade, als ob er plötzlich zwischen lauter Steine und Malterholzstücke zu sitzen käme. Immer lag er in den Knien, rannte sich an und sah doch nichts. Alles Schelten und Fluchen war vergebens. Der Geisterseher, der still an der Böschung stehen geblieben war, sah stieren Auges in den Hohlweg hinab. Als sie wieder im Haus waren, fragte der Seher seinen Bruder, ob er denn vorhin gar nichts bemerkt habe. „Nein“, antwortete dieser, „gesehen nichts aber gefühlt desto mehr! Es hat da im Hohlweg wahrscheinlich einer Holz oder Steine verloren. Ich kam nicht gerade schlecht dazwischen zu sitzen!“ „Nein“, entgegnete ihm der Bruder „Du bist in einen Leichenzug hineingeraten; und als du am schlimmsten fluchtest, stießest du gerade gegen den Pastor.“

Das zweite Gesicht Teil 3
Dem selben Geisterseher ist auch folgende Begebenheit geschehen: Er hatte in Harderode seinen Hof angenommen, als er in der Nacht gar nicht schlafen konnte, ja er musste sogar aufstehen und vor die Tür gehen. Als er sich dann wieder umdreht und der Türe zuschreiten wollte, kam ihm seine Frau im schneeweißen Gewand und mit einem Lichte in der Hand entgegen, sah ihn lange traurig an und verschwand. Wiewohl der Frau sonst gar nichts gefehlt hatte, starb sie doch, vom Schlag gerührt, am folgenden Tage.